In der letzten Woche musste ich oft über die Zeit nachdenken – Zeit die fliegt, Zeit, die wir verschwenden, Zeit, die wir verlieren und nicht zurück drehen können – oder doch? Und was passt da besser als eines meiner absoluten Lieblingsbücher von Martin Suter: „Die Zeit, die Zeit“, in der Erstfassung.
Es ist eine Liebesgeschichte, ein Thriller, eine Zeitreise und ja, eine andere Art, die Welt zu sehen, eine Philosophie der Zeit.
Gustav-Raunter-Weg 40. Hier wurde vor einem Jahr Peter Talers Frau Laura vor der Haustür erschossen. Bis heute gibt es keine Spur von ihrem Mörder. Jeden Abend steht Peter an seinem Fenster und blickt auf die Straße, um sich an diesen Tag zu erinnern und dadurch einen entscheidenden Hinweis in Richtung Mörder zu bekommen. Und tatsächlich: „Etwas ist anders, aber er weiß nicht was.“
Also beginnt er Fotos zu machen – aus seinem Fenster, immer mit dem selben Blickwinkel und siehe da: Nachbar Albert Knupp, der seine Frau vor 20 Jahren verloren hat, verändert seinen Garten – er verjüngt ihn. Und nicht nur das, er vergreift sich auch am Buchsbäumchen anderer. Diese existierten nämlich noch nicht, als seine Frau noch lebte. Aber die Bäumchen rauszureißen, ändert an dieser Tatsache eben auch nichts.
Doch Herr Knupp ist da anderer Meinung. Er ist überzeugt davon, dass die Zeit nicht existiert. Nur die Veränderung. Macht man die Veränderungen rückgängig, dann dreht man die Zeit zurück. Und dann ist es möglich eine andere Entscheidung zu treffen und dem Schicksal eine neue Wendung zu geben.
Knupp will ein Experiment wagen – er will den 11. Oktober 1991 wieder herstellen – exakt, bis ins kleinste Detail. Der Tag, an dem seine Frau noch lebte. Aber die Umsetzung ist nicht einfach – im Grunde schier unmöglich. Und Taler – der alles andere als überzeugt ist von Knupps Theorie – soll ihm dabei helfen.
Als Gegenleistung bietet Knupp ihm Fotos an, die er am Tag von Lauras Ermordung vom Gustav-Raunter-Weg 40 gemacht hat. Darauf zu sehen ist ein mysteriöser Motorrad-Fahrer… ist er der Mörder?
Doch am Ende geht es nur um die Fragen: Kann das Experiment den Lauf der Dinge verändern? Und falls ja, was ist mit dem Jetzt, wenn wir nachträglich etwas beeinflussen?
Fazit:
Martin Suter verarbeitet in seinem neuen Roman die Trauer um einen geliebten Menschen, zugleich rückt der Krimi durch die philosophische Zeitfrage in den Hintergrund. Würden wir nicht alle gern an einen bestimmten Punkt der Vergangenheit reisen und andere Entscheidungen treffen wollen? Ein Roman, der zum Denken anregt und unsere Welt für einen Moment auf den Kopf stellt.
Eine – zeitlose – Geschichte mit einem unvorsehbaren Ende! Das Martin Suter übrigens umschreiben musste, weil viele seiner Leser das Ende kritisiert bzw. nicht verstanden hatten… Schade!

Martin Suter, „Die Zeit, die Zeit“, 304 Seiten, 21,90 Euro, Diogenes, ISBN 978-3-257-06830-6 (Zweitfassung)
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