Nach dem unglaublichen Erfolg seines Debüts Das Auge von Hongkong gibt es jetzt Neues von Chan Ho-kei: Die zweite Schwester. Es geht um Cybermobbing, sexuelle Belästigung und den unübersehbaren Kontrast zwischen Arm und Reich.
Die 15jährige Siu-Man springt aus dem Fenster ihre Wohnung im 20sten Stock in den Tod. Sie ist das Opfer einer Verleumdungskampagne im Netz. Ihre ältere Schwester Nga-Yee möchte den Verantwortlichen zur Rede stellen und bittet N. um Hilfe. Die beiden bilden ein etwas ungewöhnliches Ermittlerpaar. Denn mit ihnen treffen zwei Welten aufeinander: N. der Hacker, der selbst Triaden mit seinem Insiderwissen im Griff hat und Nga-Yee, eine Bibliotheksangestellte, die sich so gar nicht in der digitalen Welt auskennt – und auch noch fest in alten Traditionen verhaftet ist.

Eine erste Spur führt an Sui-Mans Schule und Nga-Yee muss feststellen, dass sie vom Leben ihrer Schwester nicht die leiseste Ahnung hatte. Nga-Yee war ihre einzige Verwandte, nach dem Tod der Eltern. Sie hat auf eine höhere Ausbildung verzichtet, die Familie zu unterstützen und war einzig auf die Ausbildung Sui-Mans fokussiert.
Wer hatte es auf ihre Schwester abgesehen und was war das Motiv? So viel: alles ist anderes als es scheint…
Fazit
Chan Ho-kei nimmt uns mit in das digitale Hongkong, in dem jeder Spuren hinterlässt, mal gut getarnt, mal ganz offensichtlich. Ich hab viel über die meine eigenen digitalen Spuren gelernt!
Und natürlich ist Hongkong wieder der Schauplatz schlechthin. Hier besitzt jeder Einwohner statistisch 2,5 Handys, aber ein eigenes Auto ist zu teuer. Die Stadt boomt und zieht immer mehr Menschen an, die Wohnungen werden teuer und die soziale Schwachen werden in die Randgebiete verdrängt, wo einer alleinstehenden Person 20qm Sozialwohnung zustehen. Die zweite Schwester ist ein Krimi, ein Familien- und Gesellschaftsroman zugleich, in dem Chan Ho-kei offen Kritik übt, dass die alten Werte immer mehr in den Hintergrund geraten, jeder nur noch an sich denkt und nur der aufsteigt, der manipuliert und an der richtigen Stelle die richtigen Worte findet…
Chan Ho-kei: Die zweite Schwester, aus dem Englischen von Sabine Längsfeld , Atrium, 25 Euro, ISBN 978-3-8553-5111-4
PS: Chan Ho-kei erwähnt Geständnisse von Kanae Minato und weitere Autoren wie Haruki Murakami, Eileen Chang, Carlos Ruiz Zafón und Gillian Flynn. Das ist zwar nur eine Kleinigkeit, aber sie macht richtig Spaß!
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