Es gibt so Bücher, die gehen schon bei den ersten Seiten nicht an einen ran. So ein Buch hatte ich seit Februar in den Händen – nur 240 Seiten dick – Reiz von Simone Meier. So etwas kann daran liegen, dass das Buch an sich nicht reizvoll ist, aber auch daran, dass einfach für mich als Leser nicht der richtige Zeitpunkt ist, dieses Buch zu lesen und zu mögen.
Dabei ist es wundervoll!
Habe ich dann im Mai festgestellt. Ich habe von vorn angefangen und es in kleinen Happen Seite für Seite genossen. Es ist einen nicht ganz alltägliche Geschichte, die durch ihre Alltäglichkeit auffällt. Simone Meier schreibt über Menschen, die Teil einer außergewöhnlichen Familie sind und sie lieben.

Da ist die alternde Journalistin Valerie, die sich Toyboy Teo hält und die wirklich zweisamen Stunden mit Freund F. teilt. Da ist der Teenager Luca, der sich ausprobieren und entdecken muss – zwischen Liebeskummer und neuer Flamme. Und da ist Lucas lesbische Mutter, die mit ihrer Freundin zusammen lebt – die beide ein Techtelmechtel mit F. hatten (F. ist Lucas Vater). Und alles ist so ehrlich, aber gleichzeitig auch skurril.
Die Frage ist aber: Was soll das? Und da müssen wir tiefer in den Roman lesen. Valerie ist das Gegenstück zur frustrierten Mittfünfzigerin – sie ist nicht traurig über ihre Kinderlosigkeit, weiß was sie will und ist zufrieden mit ihrer Unaufgeregtheit, die ja die jüngeren Hühner noch haben – wie die Freundinnen von Teo – die ein genaues Bild von Karriere, Kind und Figur erfüllen wollen. Sie ist meine Heldin in Reiz. Und es ist ihre Arbeit, auf die wir schauen sollen: warum ist die Journalistin geworden? Wie lernt man schreiben? (Teo wird im Verlauf der Geschichte ein Praktikum bei Valerie machen.) Wie schreibt man schlussendlich? Und was macht eine gute Geschichte aus?
Fazit
Alles hat seine Zeit und ich bin froh, dass ich Reiz noch mal in die Hand genommen habe. Es ist tatsächlich wundervoll!
Simone Meier: Reiz, 240 Seiten, Kein & Aber, 22 Euro, ISBN 978-3-0369-5839-2
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