2015 – und dann auch noch die Liebe

Mit seinen Krimis um Luc Verlain steht Alexander Oetker regelmäßig auf den Bestsellerlisten. Krimi kann er! Der ehemalige Frankreich-Korrespondent für RTL und N-TV hat jetzt seinen ersten Roman veröffentlicht: Und dann noch die Liebe.

Und er hat sich mit der Liebe nicht gerade ein leichtes Thema ausgesucht. Einen Roman von Oetker zu lesen ist irgendwie neu, aber auch vertraut, wenn man die Krimis um Luc Verlain kennt. Sprachlich wie immer – fließend, auf den Punkt, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen.

Es geht also um die Liebe und die Frage, was aus ihr wird, wenn die Welt aus den Fugen gerät. Die Geschichte beginnt 2015. Francois ist Mitte 30 und arbeitet als freier Fernsehjournalist für deutsche und französische Nachrichtensender mit einem Wohnsitz in Berlin und einem in Paris. Er jettet rastlos durch die Welt, immer auf der Suche nach der nächsten Story. Und da gab es für Francois 2015 einiges zu tun – wir erinnern uns sicher an die Nachrichtenlage…

Im Januar der Anschlag auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo… und damit fing das Jahr erst an. 2015 war das Jahr, in dem die Flüchtlingskrise in unser Bewusstsein gerückt ist und die ersten Züge nach Deutschland unter Applaus in die Bahnhöfe eingefahren sind. Ein Jahr, in dem eine unglaubliche Hilfsbereitschaft Deutschland geflutet hat – „Wir schaffen das!“ hat Bundeskanzlerin Merkel damals gesagt.

Und es ist auch das Jahr, in dem das Foto eines ertrunkenen Kindes am Strand von Bodrum die Menschen bewegt, ein Terroranschlag im Pariser Bataclan 137 Todesopfer fordert, die erste Pegida-Kundgebung in Dresden stattfindet und einer Silvesternacht sexueller Übergriffe in Köln.

Für Francois ist das sein täglich Brot, auch, sich in Gefahr zu begeben. Oetker beschreibt seine Lage als ständige Suche nach dem besseren Auftrag, aber dabei ging der Enthusiasmus verloren, der Spaß an der Arbeit. Er funktioniert einfach nur noch. Und hier kommt jetzt die Liebe ins Spiel: Agapi.

Agapi, die Liebe, tritt in das hektische Leben von Francois. Er trifft sie bei einer Konferenz zur Finanzkrise Griechenlands in Brüssel, naja, und zeitgleich bei Tinder, ist ein komischer Zufall. Sie arbeitet im Stab des griechischen Finanzministers.

Die beiden schaffen es ganz gut Privates und Geschäftliches auseinander zu halten. Nicht vergessen Francois ist Journalist und Agapi hat Insiderinformationen. Dann aber begeht Francois tatsächlich für 2 Minuten Rampenlicht und ein paar Twitterfollower mehr, einen fatalen Fehler – der alles ins Wanken bringt.

Fazit

Und dann noch die Liebe ist eine sehr klare Momentaufnahme und beschreibt beeindruckend ehrlich die Arbeit eines Fernsehjournalisten. An manchen Stellen musste ich zustimmend nicken und lachen. Als Reporter kenne das gut, dass einem der Moderator in seiner Anmoderation schon einen Teil der Antwort vorwegnimmt – da ist schnelles Umdenken gefordert.

Oetker hat eine gute Beobachtungsgabe und schreckt auch nicht davor zurück, seine Protagonisten in Paris von drei jungen Algerien überfallen zu lassen. Wertfrei beleuchtet er unser Leben in Europa. Das hat mir besonders gut gefallen. 

Oetker erzählt aber nicht nur von 2015 sondern in kurzen Kapiteln auch von 1945. Das Jahr, in dem seine Großmutter vor den Russen flieht. Hier geht es ums nackte Überleben und um eine Liebe, die hätte sein können, wenn die Zeit dafür gewesen wäre. Die tiefe Ehrlichkeit, die in jeder Zeile steckt – hat mich von diesem Buch mehr als überzeugt.

Alexander Oetker: Und dann auch noch die Liebe, 224 Seiten, Hoffmann und Campe, 22 Euro, ISBN 978-3-455-00928-6.

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